Liebe Besucher*innen der Gessnerallee, liebe Kulturinteressierte, liebe Künstler*innen
Weil wir morgen in der Gessnerallee zum ersten Mal «UNTER UNS – Eine Reise in die Tiefen des Bodens» zeigen, wollten wir von Regisseur Dimitri de Perrot mehr zu seinem Deep-Listening-Theater wissen.
Gessnerallee: In «UNTER UNS» erkundet das Publikum während 70 Minuten mit Deep Listening die verborgenen Welten des Bodens als lebendigen Schatz in einer experimentellen theatralischen Erfahrung. Wie ist die Idee dazu entstanden? Was hat dich dazu inspiriert?
Dimitri de Perrot: Am Anfang stand die Frage der Begegnung: Wie frei bin ich, wenn ich Neuem begegne – einer anderen Sicht, einer noch unbekannten Idee? Das Ungewisse und Unvorhersehbare kann schnell bedrohlich wirken, doch ich sehe darin etwas zutiefst Lebendiges und Kreatives, dem ich Platz geben will. Es ist die Natur des Lebens, im steten Wandel zu sein, sich immer neu zu verweben. Daraus entstand das Bild, dem Boden zuzuhören – als Fundament des Lebens. Boden ist ein riesiges Netzwerk, das aufnimmt, verhandelt, verwebt und weiterentwickelt in einer grossen Kollaboration über Unterschiede und Zeitlichkeiten hinweg.
Du begreifst Hören und das Erspüren von Klang als eine Fähigkeit, die immer wieder geübt und gepflegt werden muss, damit sie sich entfalten kann. In deinen Raum- und Soundinstallationen entstehen Reflexionsräume, die das Nachdenken über die Grenzen zwischen Individuum und Gemeinschaft und die Verbindung zu einer gemeinsamen Realität ermöglichen. Was sind deine Gedanken dazu?
Oft stelle ich mir das Leben als grosse Improvisation vor – ein Tanz des Moments, von allen, die da sind, mit allem, was da ist. Eine essenzielle Grundlage dafür ist das Zuhören. Listening oder Deep Listening erfordert vom Publikum, das Unklare zuzulassen, wo es keine schnellen Bilder oder Antworten gibt. Gesellschaftlich neigen wir dazu, uns an vermeintliche Gewissheiten zu klammern. Zuhören und Erhören ermöglichen es, uns als Teilhabende eines grösseren Systems zu erkennen.
«UNTER UNS» ist auch für Kinder (empfohlen ab 10 Jahren) zugänglich. Du hast neulich gesagt, dass Kinder oft ein dankbares Publikum sind. Wieso?
Mit meinen Stücken möchte ich einen theatralen Raum schaffen, in dem wir etwas Spezielles erleben können und neugierig werden. Bewusst erzähle ich ohne klassische Narration, sondern lasse Klang, Raum und Präsenz sprechen. Sich auf das Hören einzulassen, bedeutet auch, Kontrolle loszulassen und den eigenen Assoziationen Raum zu geben. Kindern gelingt das oft sehr gut: Sie verbinden sich spielerisch mit dem Moment. In Vorführungen fällt mir auf, wie ihre Neugier und Unbefangenheit oft eine Atmosphäre schaffen, die es auch Erwachsenen erleichtert, sich dem Hören und dem Hier und Jetzt hinzugeben.